Dank langjähriger Aufklärungs- und Informationsbemühungen hat es sich bis über die Grenzen des Kreises Neuwied herumgesprochen, dass der gerne besuchte so genannte Römergraben im Norden Rengsdorfs mit den Römern eigentlich nichts zu tun hat. Wohl niemand nahm daran Anstoß und der Ruf des als einer der schönsten Promenaden im Umkreis geschätzten Spazierweges hat davon keinen Schaden genommen. Vielmehr bedauern Einheimische und Besucher des heilklimatischen Kurortes Rengsdorf die inzwischen fast lückenlose und zu hohe neuzeitliche Bebauung des südlichen Vorgeländes, die den bis dahin fast ungehinderten Ausblick auf das Dorf und die Landschaft des Neuwieder Beckens mit den Bergen der Osteifel im Hintergrund fast vollständig verdeckt hat. Einige der bis heute verbliebenen Lücken der Bebauung erlauben einen eingeschränkten Blick auf das etwa drei Kilometer entfernte Gelände nahe der Kreuzkirche bei Melsbach, das einst von der römischen Grenzlinie des Limes auf ihrem Weg über die Randberge des Neuwieder Beckens durchzogen wurde. Von hier aus und dem nahebei gelegenen Kastell Niederbieber sind die Hilfstruppen Roms nach Rengsdorf nur gelegentlich und dann gekommen, wenn es galt, Erkundungen im Grenzland auf germanischer Seite einzuholen und abgewehrte Übergriffe auf die Grenzsperre zu verfolgen und zu vergelten. Der Grenzsicherung dienende verteidigungsfähige Erdwerke römischer Herkunft außerhalb des vom Limes geschützten Landes sind im Westerwald bis heute nicht bekannt geworden. So dürfte die Bezeichnung „Römergraben" für unsere Wallanlagen in Rengsdorf ein Produkt der frühen Forschung und des Volksmundes aus jener Zeit sein, als man vielerorts leicht geneigt war, nicht gleich bestimmbare Relikte aus vergangener Zeit und das, was man dafür hielt, den „alten Römern" zuzuschreiben.
Bei dem in großen Abschnitten noch gut erhaltenen, insgesamt noch ca. 750 Meter langen Wallsystem handelt es sich nach heutigen Erkenntnissen eher um eine frühmittelalterliche Anlage, die mehr der Grenzmarkierung und dem Grenzschutz als der hinhaltenden Verteidigung eines grenznahen Wehr- und Siedlungsbereiches gedient hat. Ihre Entstehung könnte in fränkischer Zeit liegen. Darauf deuten u.a. Funde, die aus einem fränkischen Gräberfeld mit Beigaben aus dem 7. Jahrhundert in dem benachbarten Distrikt „Auf der Löw" gehoben wurden.
Nach einem Flurnamen im bereich der Wallanlage war diese mit einem Gebück bewachsen. Gebücke entstanden durch das Kappen junger Bäume , besonders Hainbuchen. Die frischen Ausschläge wurden zur Erde niedergebückt und verwuchsen mit eingepflanzten Dornensträuchern bei sorgsamer Pflege und ständiger Verjüngung zu einer dichten, fast undurchdringlichen Hecke. In Verbindung mit Wällen, trockenen oder wasserführenden Gräben dienten sie seit vorgeschichtlichen Zeiten als Annäherungshindernisse, die besonders berittenen Angreifern ihre Vorhaben erschweren sollten. Unter der Bezeichnung Hecken, Hagen, Gehege, Wehrzäune und Gebücke fand die weitverbreitete Art von Schutzanlagen vielfache Verwendung zur Markierung, Absicherung und Einhegung von Landesgrenzen, gefährdeten Landstrichen, Fliehburgen, Siedlungen und einzeln stehenden Gehöften und Gebäuden. Noch heute dienen in Norddeutschland die Knicks - das sind schmale Erdwälle mit aufgepflanzten Gebüschen - als Windschutz und zur Abtrennung von Viehweiden und Äckern.
Bereits Caesar berichtet von gebückartigen Grenzschutzeinrichtungen und Kaiser Hadrian soll dort Hagen angelegt haben, wo Grenzwehren anderer Art nicht verwendet werden konnten. Eine weite Verbreitung fanden die Gebücke im Mittelalter. Von Sarazenen, Normannen, Preußen und den Bewohnern des Rheinlandes wird berichtet, dass sie sich hinter solchen Anlagen gegen ihre Feinde zu schützen suchten. Noch zur Zeit der schweren Feuerwaffen wurden gebückartige Anpflanzungen für die Wälle der Festung Köln erwogen, jedoch nicht angelegt. Man wollte sie damit für die Angreifer schwerer besteigbar und gegen einschlagende Granaten weniger verwundbar machen.
Ihre hauptsächliche Verwendung fanden die Gebücke in mittelalterliche Zeit zum Schutz von Landesgrenzen, wichtigen Wegedurchgängen mit bedrohten Gemarkungen. Den in unredlicher Absicht Nahenden waren das Eindringen ins Land und die ungehinderte Flucht nach erfolgtem Überfall wesentlich erschwert. Ein berittener Raubzug und der Abtransport von Beute, insbesondere lebendem Vieh, waren fast aussichtslos. Zumindest hatte man bei funktionierender Bewachung dem unbemerkten Überschreiten der Grenzen ein wirksames Hindernis in den Weg gelegt, was auch einer Zollerhebung von Nutzen sein konnte.
Außer der Linie in Rengsdorf finden sich an zahlreichen Orten des vorderen Westerwaldes Spuren und Hinweise auf ehemalige Gebücke. Aus Urkunden, Flurnamen, Grenzbeschreibungen und anderen Überlieferungen lässt sich schließen, dass es sie u.a. bei Kurtscheid, Höhr-Grenzhausen, Herschbach, Dierdorf, Hillscheid und Baumbach gegeben hat. Auch größere Siedlungen waren oft von Gebücken umgeben. So wird von Frankfurt am Main berichtet, dass die Stadt vor den mauern eine mit Gebüsch überwachsene Landschaft besaß. Neben den bereits genannten Bezeichnungen für Gebücke nennen die Geschichtsquellen Begriffe wie Hackelwerk, Hackelzaun, Gepick, Wehrholz, Wehrbusch, Landshecke, Hege, Haien und Hain, die auf gewachsene Schutzvorrichtungen hinweisen.
Notwendige Durchgänge, die einen geordneten und kontrollierten beiderseitigen verkehr an bedeutenden Gebückanlagen ermöglichten, sicherte man durch besondere Verschanzungen. Auf ihre Existenz und Lage weisen heute Flurnamen wie „Am Schlag", „Schlagtor", „Im Schlag", „Am Schlagbaum", „Grendel" usw. hin. Solche Warten wurden als Erdwerke, hölzerne und massive Wachtürme, manchmal auch in Form kleiner Burgbauten errichtet. Das Gebück selbst war in ruhigen Zeiten in der Regel nicht ständig mit Bewachern besetzt. Man begnügte sich mit gelegentlichen bis regelmäßigen Überprüfungen, notwendigen Ausbesserungen und Verjüngungen des Bewuchses und bewachte die Durchgänge. In Zeiten der Bedrohung verkehrten regelmäßige Patrouillen entlang der Grenze.
„Römergraben" in Rengsdorf, Situation an der Melsbacher Hohl nach Dorow. |
Am Rengsdorfer Gebückgraben, der angesichts seiner hervorragenden wehrtechnischen Beschaffenheit eine bedeutende Landwehr mit wohl überörtlichen Aufgaben gewesen sein muss, lag ein vielbegangener Durchgang unweit der Stelle, wo die heutige Straße „Melsbacher Hohl" den „Römergraben" durchschneidet. In geringer Entfernung findet man den Flurnamen „Im Schlag", der mit der Namensgebung des hier angrenzenden Rengsdorfer Neubaugebietes in Erinnerung gehalten wird. Die „Melsbacher Hohl" verläuft am Kreuzungspunkt mit dem „Römergraben" im Zuge der alten Wegverbindung vom Rheintal bei Heddesdorf über Niederbieber, Kreuzkirche bei Melsbach, Honnefeld zur Eisenstraße bei Gierend und weiter über Flammersfeld zu der über Altenkirchenführenden Hohen Straße (der heutigen Bundesstraße 8).
Die Wallanlage nördlich Rengsdorf hat bereits früh die lokale Forschung beschäftigt. Dr. Dorow, Verfasser der 1826 in Berlin erschienenen „Römische Altertümer in und um Neuwied am Rhein", schreibt sie den Römern zu. In einer beigegebenen Skizze (siehe Abbildung links) stellt er die damalige Situation an der Melsbacher Hohl dar, wo er drei Wälle und eine nördlich davorliegende Verschanzung erkennt. Er hält die Anlage für eine vorspringende Bastion (Saillant) des römischen Pfahlgrabens (Limes). In seinen 1859 veröffentlichten „Lokaluntersuchungen" beschreibt Oberstleutnant F.W. Schmidt unter anderem alte Wehranlagen im Westerwald. Zu dieser Zeit zeigten sich noch Spuren des Gebückgrabens auch am östlichen Ortsrand. Hier traf er gegenüber dem Lützenberg auf das Völkerwiesenbachtal. Die Erinnerung an diesen Abschnitt wird in Rengsdorf durch die in dem Verlauf liegende heutige Gebückstraße im Gedächtnis gehalten. Neben den drei Wällen beschreibt Schmidt die Situation „Am Schlag" als „drei fächerartig auslaufende Aufwürfe" mit einer anschließenden dreieckigen Verschanzung vor dem Wall-Graben-System des Gebücks. Er erwähnt in diesem Zusammenhang, dass der südlich Rengsdorf entspringende, an Melsbach östlich vorbeifließende und in Oberbieber in den Aubach mündende Bachlauf „Wallbach" genannt wird.
Oberst von Cohausen befasste sich wenige Jahre nach Schmidt eingehend mit dem Rengsdorfer Gebückgraben. Seine 1869 publizierte Auffassung, dass er zum römischen Limes gehört habe, hat wohl entscheidend zur unzutreffenden Namensgebung beigetragen. Auf seine Veranlassung wurde mit der Unterstützung der Fürstin zu Wied eine Untersuchung der Grabung „Am schlag" vorgenommen. Dabei fertigte man Profilaufnahmen, aus denen Cohausen eine Folge von drei Spitzgräben, zwei Wällen und zwei Palisadenreihen rekonstruierte. Zwischen den Palisadenreihen erkannte er neben dem mittleren Graben einen Wallweg von dem nördlich davorliegenden Wall begleitet wird. Aus dieser Anordnung schließt er auf einen "Colonnenweg", der eine Verteidigung der Anlage sowohl nach Norden als auch nach Süden erlaubte. Nach Cohausen ergab sich damit die Möglichkeit, „Feinde, die anderwärts durchgebrochen sind und etwa beutebeladen über diese Stelle zurückkehren wollen", abzuwehren oder einfach die Anlage gegen Umgehung zu schützen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den römischen Hadrianswall zwischen dem Solway Fjord und der Tyne im nördlichen England, der bis 367 n.Chr. die nördlichste römische Reichsgrenze auf der britischen Insel schützte. Die darin verlaufende Straße war nach beiden Seiten durch Mauer und Graben bzw. Wall und Graben verteidigungsfähig gesichert. Cohausen, der die eigentliche Abwehrfront des Rengsdorfer Graben-Wall-Systems nach Norden gerichtet sah, dürfte mit seiner Annahme einer Abwehr auch in südlicher Richtung zumindest für den Abschnitt im Bereich des Durchgangs „Am Schlag" richtig liegen. Auf den übrigen Strecken der gesamten Linie zwischen Laubachtal im westen und Völkerwiesenbach im Osten war sie wohl unentbehrlich. Zur Zeit von Cohausens Untersuchungen war der mittlere Abschnitt unserer Wallanlage, der wohl im Verlauf der heutigen Westerwaldstraße zu suchen ist, durch deren Trasse bereits verwischt. Der als Unteres Gebück bezeichnete Abschnitt verlief, wohl im Verlauf der heutigen Gebückstraße, bis zu einer kurzen Waldschlucht, die nahe der heutigen Kläranlage gegenüber dem Lützenberg im Völkerwiesenbachtal mündete. Die Profile von Wällen und Gräben waren bereits stark verschleift.
Die im Zuge der Untersuchungen Cohausens durchgeführten Grabungen an mehreren Punkten der Wälle führten zu keinen zeitbestimmenden Funden, sie „zeigten keine Spur von Mauerwerk oder sonstiger menschlicher Bewohnung". Von den nur noch knapp 1 Meter hohen Wällen der dreieckförmigen Verschanzung „A Schlag" nimmt er an dass sie lediglich den Unterbau einer Palisade bildeten. Auch in der im Zentrum des Berings gelegenen flach gerundeten Vertiefungen, in dem er einen verteidigungsfähigen Turm vermutete, wurde man nicht fündig. Die Untersuchung der von Schmidt erwähnten drei fächerförmigen Aufwürfe nördlich und nordwestlich der Verschanzung ergab, dass es sich um die stehengebliebenen Rücken zwischen den von hier nach verschiedenen Richtungen ausgehenden Waldhohlwegen handelte.
Bemerkenswert ist auch Cohausens Feststellung, dass die damals noch bestehende alte Rengsdorfer St.-Castor-Kirche, wenige hundert Meter südlich hinter dem Gebückgraben, „auf einer nach allen Seiten abfallenden Anhöhe" stehe. Das führte ihn zu der Vermutung, dass an dieser Stelle „eines der kleinen Castelle, Thürme oder Wachstationen" hinter dem Grenzwall des Limes gestanden habe. Wenn der Platz nach späteren Erkenntnissen auch nicht mit dem römischen Limes in Verbindung zu bringen ist, so muss dem markanten, nach Süden vorgeschobenen Bergrücken wohl eine frühere Wehrfunktion zugewiesen werden. Dabei ist am ehesten daran zu denken, dass die alte Rengsdorfer Kirche, oder eine Vorgängerin an dieser Stelle, zusammen mit dem befestigten Friedhof die Aufgabe einer Wehrkirche hatte. Schließlich gibt es im Vorderen Westerwald dazu belegbare Parallelen an den Kirchen in Anhausen und Oberhonnefeld.
Cohausens Annahme, dass der Rengsdorfer Gebückgraben dem römischen Limes zuzurechnen sei, wurde spätestens anlässlich der Arbeiten der Reichs-Limeskommission widerlegt. Deren Untersuchungen 1893 ergaben zweifelsfrei, dass Wall und Graben der römischen Grenzwehr mehr als 3 Kilometer weiter südlich, unweit der Ruine Kreuzkirche bei Melsbach, den Randhöhen des Neuwieder Beckens folgten.
Zum Verständnis für den Rengsdorfer „Römergraben" kann ein Blick auf die bekannteste Gebückanlage in Deutschland, das Rheingauer Gebück im Rheinknie zwischen Lorsch und Niederwalluf, beitragen. Mit einer Länge von fast 40 Kilometern war sie wohl die bedeutendste mittelalterliche Landwehr dieser Art in Deutschland überhaupt. Sie wurde vermutlich länger benutzt als die Rengsdorfer Anlage. Demzufolge haben sich hier einige Überbleibsel bis heute erhalten. Der im Mittelalter zum Erzbistum Mainz gehörende Rheingau war an den nicht durch den Rhein geschützten Nord- und Ostflanken von dem mächtigen, bis zu 50 Schritt tiefen Gebück umzogen, das von Wällen und Gräben begleitet wurde. Strenge Verordnungen und regelmäßige Kontrollen durch die Obrigkeit sorgten dafür, dass notwendige Ausbesserungen und stetige Pflege, die den vom Gebück durchzogenen Gemeinden auferlegt waren, durchgeführt wurden.
Die wenigen Wegedurchgänge und beherrschende Geländepunkte waren mit Schanzen und steinernen Warten besetzt. Während die gemauerten Anlagen meist aus dem 15. Jahrhundert stammen, ist das Gebück selbst wesentlich älter. In einer Urkunde aus dem 14. jahrhundert ist es bereits erwähnt. Oberst von Cohausen vertritt die Auffassung, dass schon bald nach dem Fall des Limes um 260 n.Chr. die ersten Abschnitte entstanden sein dürften. Schließlich hat die nach dem Limes wohl ausgedehnteste Grenzschutzanlage in Westdeutschland der Landschaft des Rheingaues viele Jahrzehnte anhaltenden Schutz und fast ungestörten Frieden gebracht. Erst 1717 erteilte die Obrigkeit die Genehmigung zum Ausroden des Gebücks und dem Abbruch der massiven Anlagen. Von den gemauerten Wehrtoren ist bis in die heutige Zeit nur die Mapper Schanze am Mapper Hof südwestlich Hausen vor der Höhe erhalten geblieben. Das Baudenkmal wurde nach einer Inschrift 1494 errichtet und ist vor einigen Jahren instand gesetzt worden. Vor dem Tor findet man Spuren eines älteren Erdwerks, mit Wall und Graben, offenbar ein Vorläufer der gemauerten Schanze. Eindrucksvolle Überreste der natürlichen Bestandteile des ehemaligen Gebücks sind noch wenige Gebückbäume. Zwischen der Mapper Schanze und dem Ort Hausen vor der Höhe westlich von Schlangenbad steht im Walddistrikt Bossenheim ein kleiner Rest dieser historischen Bäume, deren eigentümliche bizarre Formen durch den gewaltsamen Eingriff des Menschen vor fast 300 Jahren entstanden sind.
Die Entstehungszeit des Rengsdorfer Gebückgrabens liegt im Dunkeln. Bis heute sind keine urkundlichen Belege bekannt geworden, aus denen ein verlässliches Datum hergeleitet werden könnte. Auch die erste bekannte urkundliche Erwähnung von Rengsdorf in der Urkunde des Trierer Erzbischofs aus dem Jahre 857, in dem dieser die Grenzen des Zehntbezirks der Pfarrei Rengsdorf beschreibt, vermag keinen sicheren Hinweis zu geben. Cohausen möchte den dort verwendeten Begriff „pale" für den römischen Limes in Anspruch nehmen und schließt daraus, dass unsere Landwehr zu dieser Zeit schon bestanden hat. Die erwiesene frühe Besiedlung des Rengsdorfer Raumes lässt eine noch frühere Entstehung, zumindest eines Teiles der umfangreichen Anlage, möglich erscheinen. Während südöstlich des Durchganges „Am Schlag" Funde aus einem fränkischen Gräberfeld in der Flur „Auf der Löw" vorliegen ( in der Sammlung des Kreismuseums Neuwied), deuten solche in der unmittelbar südlich an den westlichen Abschnitt des Gebückgrabens anschließenden Flur „Auf der Luft" auf eine viel frühere Besiedlung in der Hallstattzeit (um 800 bis 500 v.Chr.) hin. Schließlich liegen auch Funde der nachfolgenden Latènezeit aus dem Rengsdorfer Raum vor. Alleine feststehen dürfte: ungeachtet einer ausstehenden archäologischen Untersuchung, dass das in unserem Raum einmalige Bodendenkmal „Römergraben" in Rengsdorf nicht auf Veranlassung der Befehlshaber römischer Besatzungstruppen in der germanischen Provinz angelegt worden ist.
Der zwischen dem nördlichen und dem mittleren Wall gelegene ausgeprägte Graben ist heute auf einer Länge von über 600 Meter in das weitverzweigte Spazier- und Wanderwege netz des heilklimatischen Kurortes Rengsdorf und des Naturparks Rhein-Westerwald einbezogen. Einen gut erhaltenen Abschnitt trifft man an der Kreuzung der Melsbacher Hohl mit dem „Römergraben". Wenige Meter von hier in östlicher Richtung ist den bis dahin verlaufenden zwei ausgeprägten Wällen auf einer Länge von ca. 150 Metern ein schwächerer Wall südlich vorgelagert. Der daran anschließende Abschnitt mit einer nordwärts gelegenen Geländestufe und einem südlichen Wall endet nach ca. 200 Meter an der Straße „Römergraben". Von hier verlief früher der Gebückgraben in südöstlicher Richtung, wohl auf der Trasse der heutigen Westerwaldstraße, bis zu deren mehr südlich gerichteten Schwenk nahe der „Linde", um hier der heutigen Gebückstraße folgend in südöstlicher Richtung das Völkerwiesenbachtal zu erreichen. Ein gut erhaltener Abschnitt mit dem mäßig erhaltenen nördlichen und dem gut ausgeprägten mittleren Wall verläuft von der Kreuzung Melsbacher Hohl / Römergraben in westnordwestlicher Richtung, ca. 220 Meter entlang dem asphaltierten Promenadenweg bis hinter das Haus des Tennis-Clubs. Nördlich vor dem nördlichen Wall erkennt man streckenweise noch schwache Andeutungen eines ehemaligen Grabens. Das ausgeprägte Profil der südlichen Böschung des mittleren Walles ergibt sich aus neuzeitlichen Abgrabungen am Wallfuß beim bau der parallel verlaufenden Straße und der Tennisplätze.
Ein relativ ungestörtes Profil dieser Böschung liegt auf dem nur 50 Meter langen Wallstück nördlich des Kinderspielplatzes. Nach der Unterbrechung hinter dem Haus des Tennis-Clubs erfolgt eine leichte Richtungsänderung nach Westen. Im hang zum Laubachtal verläuft unser Bodendenkmal in zwei, streckenweise drei mehr oder weniger ausgeprägten Wällen, wobei es von einem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Waldweg mit steiler Böschung unterbrochen wird. Wälle und Gräben enden im steilen Osthang des Laubachtales oberhalb der Biegung des dort verlaufenden Waldweges. Den Abschluss bildet eine ca. 7 x 15 Meter große plateauförmige Stufe im Hang, die man sich als Flankendeckung des Wehrsystems vorstellen kann.
Der „Römergraben" in Rengsdorf 1995. Drei Wälle (Pfeile) hinter dem Haus Hohenwald.
Nördlich außerhalb des Wallverlaufs findet man nahe der Kreuzung Melsbacher Hohl / Römergraben im eingefriedeten Waldgelände zwischen der Straße und dem Haus der ehemaligen Bayer AG umfangreiche Spuren, die vom alten Wegedurchgang Am Schlag und dessen Schanzen herrühren. Ausgeprägte Eintiefungen in Form von Gruben und nordsüdlich verlaufenden Gräben gehören zu den von Dorow, Schmidt und Cohausen beschriebenen Relikten der Verschanzungen und alten Wegeführungen.
Auf dem südlichen der beiden Wälle im mittleren Abschnitt zwischen Melsbacher Hohl und dem haus des Tennis-Clubs steht eine große zahl starker Hainbuchen dicht beieinander. Die schönen Naturdenkmäler kann man als natürliche Bestandteile des ehemaligen Gebücks ansehen. Sie dürften aus dem im Wall verborgenen Wurzelwerk der alten Gebückbäume hervorgeschossen sein. Neben den bereits genannten Flur- und Straßennamen begegnen uns im Bereich des „Römergrabens" Bezeichnungen wie „Im Gebück", „Im alten Garten", „Auf dem schiefen Rain", „Am Schlägelchen" und „Im Hahn", die auf eine Beziehung zu den alten Wehranlagen und ihrem Umland hindeuten.
Die bis heute verbliebenen ansehnlichen Überreste der umfangreichen Wallanlage auf der Höhe über Rengsdorf sind trotz vieler Eingriffe und Zerstörungen in den vergangenen Jahrzehnten, nach dem römischen Limes das größte Bodendenkmal und die besterhaltene Landwehr im Kreis Neuwied. Die überregionale geschichtliche Bedeutung steht im Gegensatz zu der ihr bis heute von einigen Behörden und einem kleinen Teil der Öffentlichkeit entgegengebrachten Aufmerksamkeit und Respektierung. Moderne Eingriffe in die Substanz und bedrohliche Beeinträchtigungen des Umfeldes, die bis in die jüngste Vergangenheit reichen, reduzieren den historischen Kern und verunstalten das überkommene Erscheinungsbild. Die damit verbundene Verringerung der geschichtlichen Aussagefähigkeit steht im Gegensatz zu den Aufgaben und Zielen eines ernsthaft betriebenen Denkmalschutzes, der auf „Förderung des geschichtlichen Bewusstseins und der Heimatverbundenheit" in der Öffentlichkeit verpflichtet ist. Diese in den Rechtsverordnungen zum Denkmalschutz gerne verwendeten Formel trifft hier besonders zu.
Die seit vielen Jahren betriebene Aufklärungsarbeit über Veröffentlichungen, Vorträge, Presse, Fotoserien, Gespräche, behörden- und Leserbriefe konnten zwar über die einstige Bedeutung des Bodendenkmals die interessierte Öffentlichkeit informieren. Kommunale Behörden und Gremien ließen jedoch nicht immer und überall erkennen, dass sie mit dem gebotenen Eifer zum notwendigen, vom Gesetz geforderten Schutz beizutragen bereit sind. Statt dessen hat sich das im März 1989 angeregte Verfahren zur Unterschutzstellung zu einer „Unendlichen Geschichte" entwickelt, obgleich die Archäologische Denkmalpflege in Koblenz als Fachbehörde schon Ende 1990 den begründeten Antrag auf Unterschutzstellung an die untere Denkmalschutzbehörde bei der Kreisverwaltung gerichtet hat. Auf die Darstellung des Ablaufs der allen betroffenen Behörden bis zur oberen Denkmalschutzbehörde bei der Bezirksregierung Koblenz hinlänglich bekannt, nun schon etliche Jahre währenden Geschichte soll hier verzichtet werden.
Ungeachtet des noch nicht abzusehenden Abschlusses dieses wenig erfreulichen Geschehens verdient das nicht nur für unseren Raum einmalige Bodendenkmal angesichts vielseitiger Bedrohungen die besondere Aufmerksamkeit und den bevorzugten Schutz der Öffentlichkeit. Dies um so mehr, als die Neubauentwicklung der letzten Jahre in der Nähe der Anlage erkennen lässt, dass örtliche und überörtliche Gremien und Behörden nicht bereit oder in der Lage sind, den für die künftige Forschung und die Wahrung des Erscheinungsbildes erstrebenswerten räumlichen Bauabstand durchzusetzen. Schließlich muss auch hier daran erinnert werden, dass nach der Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz eine Pflicht des Eigentümers zur Erhaltung und Pflege eines Kulturdenkmals im rahmen des Zumutbaren besteht, unabhängig davon, ob es nach dem Denkmalschutz- und Denkmalpflegegesetz förmlich unter Schutz gestellt ist oder nicht.
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