Haus Hermann von Wied

Freizeithaus der Rheinischen Kirche In Rengsdorf

„Nachdem die 38. Provinzialsynode in ihrer Sitzung am Samstag, dem 3. Oktober 1925, de Kauf des Hauses Preyer in Rengsdorf bei Neuwied als Freizeithaus der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz freudig zugestimmt hatte, wurde das Haus am Sonntag, dem 4. Oktober 1925, in schlichter Feier eingeweiht", so im ersten Eintrag im Gästebuch des „Hauses Hermann von Wied", mit dem der damalige Präses der Rheinischen Provinzialsynode, D. Walther Wolff, am 4. Oktober 1925 dieses Buch eröffnet hat.

Mit diesen Worten beginnt das Gästebuch des Hauses „Hermann von Wied" in Rengsdorf. Diese Worte erinnern daran, dass dieses Freizeithaus im Oktober 2000 auf eine 75-jährige wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.

Wie kam es 1925 zur Einrichtung dieses Hauses? Die „Evangelische Kirche der Rheinprovinz", wie die heutige „Evangelische Kirche im Rheinland" damals hieß, hatte in „Anknüpfung an frühere Übung" seit 1920 „mit dem ausgesprochenen Zweck der Förderung und Belebung des innerkirchlichen Lebens die Arbeit in Lehrgängen und Freizeiten weiter ausgebaut".

Neben Freizeiten für Verantwortliche aus der Wirtschaft und der Arbeiterschaft, an denen teilweise auch Pfarrer teilgenommen haben, Freizeiten für evangelische Sozialbeamtinnen im kommunalen Wohlfahrtsdienst, für Pfarrgehilfinnen, Leiter und Leiterinnen kirchlicher Vereine, Helfer und Helferinnen der Kindergottesdienste haben „regelmäßig mehrtägige Freizeiten für Kandidaten der Theologie, junge Theologen" und Pfarrer stattgefunden. Das Haus beherbergt aber auch Tagungen, die heute zum Programm einer Evangelischen Akademie zugeordnet wären: für Juristen und Ärzte, für Frauen, die an Fragen nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft interessiert waren. Die meisten dieser Kurse waren von Sonderausschüssen der Provinzialkirche z.B. Ausschüssen für Volksmission, Apologetik oder Innere Mission - vorbereitet und durchgeführt worden.

Je länger, desto mehr wuchs unter den Verantwortlichen in der Leitung der Provinzialkirche die Einsicht, dass eine solche Freizeitarbeit eines eigenen Hauses bedarf. Denn „die eigentümliche Kraft der Freizeiten entfaltet sich erst da, wo die Freizeitler und Lehrgänger in einer Hausgemeinschaft zusammenleben und das Haus mit ihrem Leben erfüllen". Es ging darum, dieser Arbeit einen „geschlossenen Charakter" zu geben, der eben zu einem guten Teil daran hängt, „dass sie sich an ein und derselben Stelle vollzieht". Dazu aber brauchte man ein eigenes Haus, um diesen Kursen das erwünschte Gepräge eines „Ineinander von Arbeit und Ruhe, von Anspannung und Entspannung" geben zu können. Zu dieser Erkenntnis war an gekommen, nachdem man jahrelang in anderen Tagungshäusern zu Gast gewesen war. So kam es zu de Plan, ein eigenes Freizeithaus zu errichten. Durch einen Hinweis wurde man dann auf die „Fremdenpension Preyer" in Rengsdorf aufmerksam. Diese Pension war von den Schwestern Johanne und Auguste Preyer 1912 / 1913 gebaut und im Juli 1913 eröffnet worden. Nun wurde sie zum „Haus Hermann von Wied". Dieser Name wurde in der schon genannten Eröffnungsfeier, „an der auch Seine Durchlaucht, der Fürst zu Wied, teilnah", offiziell eingeführt: „in Erinnerung  an den ersten evangelischen Fürsten aus diesem Hause, dem Kölner Erzbischof Hermann von Wied", dessen Name mit dem am Widerstand von Domkapitel und Kaiser Karl V. 1543 gescheiterten Reformationsversuch im Erzstift Köln verbunden ist. Dass die Wahl auf ein Haus in Rengsdorf fiel. Kam nicht von ungefähr: Die Leitung der Rheinischen Kirche mit ihrem Konsistorium hatte damals ihren Sitz in Koblenz. So lag das „Haus Hermann von Wied" sozusagen „vor der Tür" und zudem in der Mitte des großen Kirchengebietes zwischen Saarbrücken und Emmerich.

Lange stand das nun zum Freizeitzentrum gewordene Haus in den Ferienzeiten, in denen keine Kurse stattfanden, privaten Gästen offen, die - der guten Luft und der Landschaft wegen - gerne nach Rengsdorf kamen. Der größte Zeitraum innerhalb eines Jahres aber war den Freizeiten und Kursen vorbehalten. Im Verlauf eines Kurses vom 8. bis 10. Oktober 1933 wurde erstmals der Einfluss der „Deutschen Christen" spürbar, der nun zunehmend stärker die Thematik und Gestaltung der nachfolgenden Kurse prägte. Das führte dazu, dass Pfarrer und Gemeindeglieder, die der Bekennenden Kirche angehörten, dem Hause fernblieben, und eigene Kurse, die sogenannten „Rüstzeiten", durchführten.

Die Kurse i „Haus Hermann", wie man in Rengsdorf zu sagen pflegt, kamen mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zum Erliegen. Fortan trug das Haus auf seinem Dach ein großes Rotes Kreuz im weißen Kreis und war somit als Lazarett und Kurstätte für verwundete Soldaten ausgewiesen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es zur Zufluchtstätte für Menschen, die durch Bombenangriffe ihre Wohnungen verloren hatten, und diente zunächst auch Flüchtlingen als Bleibe. Erst 1949 konnte die Kursarbeit im „Haus Hermann" wieder beginnen. Die „Pfarrerrüstzeiten" der Bekennenden Kirche, die 1946 zunächst auf der Hohengrete bei Wissen wieder aufgenommen und für die gesamte Pfarrschaft der Rheinischen Kirche konzipiert wurden, konnten nun in das „Haus Hermann von Wied" einziehen. Es wurde nun zum Sitz der „Pastoralkollegs der Evangelischen Kirche im Rheinland" - wie die offizielle Bezeichnung lautet -, dem Zentrum also der Fortbildung und der Seelsorge für Pfarrer und Pfarrerinnen.

In Rengsdorf selbst ist diese Einrichtung, die von 1975 bis 1979 eine durchgreifende Renovierung und eine bauliche Erweiterung in Form eines sogenannten „Gästehauses" erfuhr, nach wie vor unter dem Namen „Haus Hermann" bekannt. Bis heute macht es den Namen Rengsdorf im ganzen Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland bekannt.

Dr. K.-A. Bauer

 

„Haus Preyer" - heute Haus Hermann von Wied - in Rengsdorf, 1913

Foto: Archiv Karl Hoffmann, digitale Bearbeitung Rolf Weingarten

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