Rengsdorf im Heimatjahrbuch 1987

Das nachstehende Bild war das Titelbild des Heimat-Jahrbuches 1987, herausgegeben vom des Landkreises Neuwied..

Dieses Bild ist dem heilklimatischen Kurort Rengsdorf im Naturpark Rhein-Westerwald gewidmet. Es wurde bewusst kein für Rengsdorf typisches, oft gezeigtes Bild, z.B. der gründurchwirkten Ansicht des Ortes gewählt, die sich dem von Süden in den vorderen Westerwald Reisenden darbietet. Rengsdorf hat noch zahlreiche schöne Ortsbilder bewahrt und es fiel nicht schwer, jenes auszuwählen, das einen nicht alltäglichen Blich bietet. Gerade in jüngster Zeit hat das Erscheinungsbild im älteren Ortsteil durch die Instandsetzung alter Fachwerkhäuser eine wertvolle Bereicherung erfahren.

Wie in kaum einer anderen Gemeinde des Westerwaldes verbinden sich in Rengsdorf Geschichte, Landschaft und maßvoller Fortschritt zu einer harmonischen Verbindung. Wir wollen versuchen, diese unsere Behauptung zu begründen.

Die ungeschriebene Geschichte beginnt mit Funden aus der Eisenzeit vom letzten Jahrtausend v.Chr. im Distrikt „Auf der Luft". Danach, wie vielerorts au0erhalb des Limesgebietes, öffnete sich eine Fundlücke zur Römerzeit, wenngleich der sogenannte Römergraben darüber hinwegzutäuschen vermag. Jenes bis heute in Teilen noch gut erhaltene Wallsystem gehört vielmehr zu einer mittelalterlichen, ehemals mit einem Gebück bewachsenen, Verteidigungsanlage, deren Entstehung in fränkischer Zeit liegen könnte. Die Aufdeckung eines fränkischen Gräberfeldes mit Beigaben aus dem 7. Jahrhundert in dem unweit gelegenen Distrikt „Auf der Löw" erhärtet diese Vermutung. Zeugnisse jener Zeit befinden sich im Kreismuseum Neuwied.

Die geschriebene Geschichte von Rengsdorf beginnt mit der auch für andere Orte des vorderen Westerwaldes interessanten und oft zitierten Urkunde aus dem Jahre 857, Darin hat der Trierer Erzbischof Thietgaud den Zehntbezirk der Pfarrei St. Kastor in Rengsdorf abgegrenzt. Die damals bestehende erste Kirche war wohl der Vorläufer jenes romanischen Gotteshauses, von dem an der jetzigen, 1904 / 1905 errichteten dritten Kirche, die unteren Geschosse des Turmes erhalten sind. Die heute noch wehrhaft erscheinende Gestalt des Turmstumpfes und die Lage auf dem nach Süden vorgeschobenen Bergrücken, mit seinem nach drei Seiten abfallenden Rändern, lassen den Charakter der ehemaligen Wehrkirche erkennen.

Um das Jahr 1000 wird die Kirche noch einmal urkundlich erwähnt. Patronat und Zehnteinnahmen gelangten 1532 an den Erzbischof von Trier und 1570 auf dem Tauschwege an den Grafen von Wied, der hier die Reformation eingeführt hatte.

Rengsdorf und seine Umgebung blieben von den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges nicht verschont. Hier und vielerorts mussten sich die Bewohner in den Wehrkirchen und umliegenden Wäldern verbergen, notfalls verteidigen. Dabei mögen ihnen die heute in Überresten noch vorhandenen, zum Teil aber noch älteren, Wehranlagen wie die Alteburg bei Bonefeld, der Burgberg und die Burg östlich der Jahrsfelder Mühlen und die Abschnittsbefestigung auf dem Köppel bei Oberbieber als Zuflucht gedient haben.

Die kriegerischen Ereignisse in der Folge der Französischen Revolution gingen an den Gemeinden des Kirchspiels nicht spurlos vorüber. Die letzten Wochen des 2. Weltkrieges brachten dem Land Verluste und Mühsal durch Beschuss, Frontbewegung und Plünderung.

Die nun fast einhundertjährige Geschichte der Gemeinde Rengsdorf als Kurort begann im Jahre 1890. Sie wird eingeleitet von den Namen der Bürgermeister Heymann und Wink, Professor Schütz, Oberförster Andrée und Lehrer Becker. Seitdem hat sich der Kurbetrieb, von kriegsbedingten Unterbrechungen abgesehen, stetig aufwärts entwickelt.

So abwechslungsreich wie die Geschichte, so reizvoll bietet sich die Landschaft um unseren Ort. Hier beginnt für den vom Neuwieder Becken Kommenden der eigentliche Westerwald, hier steigt er auf zu seiner landschaftsprägenden Gestalt und entfaltet sich zu der unvergleichlichen Schönheit, wie sie den deutschen Mittelgebirgen eigen ist. Die ganze Vielfalt dieser wechselvollen Natur, mit ihrem schönen Buchenhochwald, mit den bunten Wiesen, tiefeingeschnittenen Tälern und bizarren Felsgebilden, bietet sich demjenigen dar, der zu schauen versteht. Unvergleichlich wie sonst von keiner Stelle im vorderen Westerwald, ist auch der Blick zurück zum Neuwieder Becken, insbesondere vom Schauinsland. Ein Bild, ausgefüllt vom Vordergrund mit Melsbach, über Neuwied mit seinem nördlichen Stadtteilen auf den Rhein, zu den Bergen von Eifel, Hunsrück und Taunus am Horizont. Man muss sich fast gewaltsam loslösen von jenem einmaligen Panorama, was um so eher gelingt, als man einige Schritte weiter westlich von dem stillen Tal des Laubaches mit seinen aussichtsreichen, bewaldeten Randhöhen empfangen wird.

Als dritte Komponente dieser seltenen Harmonie ist es schließlich der maßvolle Fortschritt, der dem kritischen Besucher hier begegnet. Er empfindet es als wohltuend, dass keine landschaftszerstörenden großen Betonsilos entstanden sind. Wo an Bestehendes angebaut wurde, hat man sich dem Überkommenen angepasst, wo Neues entstand, ist zumindest an exponierter Stelle maßstabgerecht gebaut worden. Schließlich hat auch das einst in die Schlagzeilen geratenen Hallenwellenbad einen angemessenen Platz gefunden in diesem Zusammenspiel. Wenngleich es in der Zeit ungehemmten Bauens entstand, bevor jener heilsame Umdenkprozess begann, der viele erkennen ließ, dass nicht Fortschrittsdenken und Wachstumsstreben alleine die lohnenswerte Lebensqualität schaffen, die wir suchen. Vielmehr gilt es, das nach kritischer, vorurteilsfreier Prüfung als zweckmäßig erachtete Neue schonend einzufügen in das Erhaltenswerte, das in Jahrhunderten gewachsen ist und dessen Bewahrung wir uns und unseren Nachfahren verpflichtet sind.

Heinz Preißing

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